Klassizismus
Klassizismus (1770 - 1820): Natur und ernste Klarheit
Mit der französischen Revolution 1789 kommt das Ende der Louis XVI - Herrschaft. Verfall der Kirche, Aufklärung und neue bürgerliche Rechte prägen die Phase des neuen Stils Klassizismus. Dieser orientiert sich – nicht zuletzt angeregt durch die ersten archäologischen Ausgrabungen – vorrangig an den klaren Formen der griechisch-römischen Antike und bildet damit eine Gegenbewegung zu opulentem Barock und verspieltem Rokoko. „Ernste Klarheit“ lautet die stilistische Maßgabe der Zeit. Kreis, Oval, Gerade und Rechteck werden wieder zu anerkannten geometrischen Formen. Sie schaffen die Grundlage für einen schnörkellosen, naturnahen Stil, der damit auch einer wesentlichen geistig-ethischen Grundströmung der Zeit – „Zurück zur Natur“ (Rousseau) – folgt. Dem europäischen Bürgertum und dem aufgeklärten Adel dient diese Ausdrucksform nicht zuletzt zur Emanzipation von den absolutistischen Höfen in Frankreich und Deutschland mitsamt seiner barocken Stilvorgaben.
Im Klassizismus werden – je nach Land, Zeit und Charakteristik – verschiedene Stilformen und Strömungen unterschieden. Drei maßgebliche dabei sind der Zopfstil, Louis XVI-Stil und Empire-Stil.
Zopfstil (1765 - 1790): Klassizismus in Deutschland
Der Zopfstil steht für den reifen Klassizismus in Deutschland in der Zeit von 1765 bis 1790. Er wird gelegentlich auch Rokokoklassizismus genannt und orientiert sich stilistisch eng am französischen „Louis Seize“ und dem englischen „Late Georgian“. Als solcher ist er bereits stark von den neuen klassizistisch-antiken Idealen der Zeit geprägt, weist jedoch noch stilistische Rudimente des späten Barock und Rokoko auf.
Die Bezeichnung „Zopfstil“ ist durchaus despektierlich gemeint. Sie wurde Anfang des 19. Jahrhunderts von den reifen Klassizisten geprägt und verweist auf die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts getragene Zopfperücke, welche bereits vor 1800 unmodern wurde. Das Wort Zopf stand somit synonym für altmodisch. Heute wird der Begriff jedoch auch auf zopfförmige Blattornamente an den Möbelstücken zurückgeführt.
Charakteristisch für den Zopfstil ist zum Teil eine gewisse Einfachheit und trocken-nüchterne Lehrhaftigkeit und nicht mehr die im Barock und Rokoko übliche, auf Repräsentation ausgerichtete Gestaltungsweise. In der Architektur werden Säulen und Wandpfeiler durch Pilaster, Deckenwölbungen durch Flachdecken ersetzt. Das reine Weiß verdrängt die früher bevorzugte Farbigkeit.
Als berühmtester Hauptvertreter des Zopfstils gilt der deutsche Kunstschreiner David Roentgen mit seinen „mechanischen Möbeln“, die neben reichen Intarsienverzierungen auch über raffiniert angelegte Geheimfächer und ausgeklügelte technische Spielereien verfügen. Roentgen fertigte in seiner eigenen Manufaktur mit zeitweise fast hundert Mitarbeitern jährlich mehrere hundert Möbel in Handarbeit für den Export und belieferte schließlich fast alle Fürsten- und Königshäuser Europas. Roentgen-Möbel gehören heute zu den gefragtesten Antiquitäten überhaupt.
Louis-Seize (1780 - 1800): Klassizismus in Frankreich
Der Louis-Seize-Stil (Louis VXI) bezeichnet die erste Phase des französischen Klassizismus und ist benannt nach König Ludwig XVI (1774-1792). Die griechisch-antiken Einflüsse kommen in diesem Stil durch eine breite Motivpalette zum Ausdruck, doch spiegeln sie sich letztlich vor allem in den Gesamtformen wider. Die Möbel sind eher einfach und geometrisch geformt: Rechteckige, runde und ovale Formen werden von sich verjüngenden Beinen getragen, die im Querschnitt entweder quadratisch oder rund sind und sich damit deutlich von den vorangegangenen Stilepochen emanzipieren. Als Verzierungen dienen Blumengirlanden oder Stoffe sowie architektonische Motive wie Medaillons, Musterbänder aus Messing und dorische, ionische oder korinthische Formen. Die Rocailleformen verschwinden dagegen gänzlich. Als Grundwerkstoff werden vor allem einheimische, hellfarbige Hölzer verwendet. Zum Einlegen greift man dagegen auf Ebenholz, Zeder, Palisander oder Mahagoni zurück. Die Beschläge und Verzierungen sind zumeist feuervergoldet.
Beliebte Möbel des Louis-Seize sind die Voyeuse und die schon ca. 1740 aufgekommene Bergére. Als zeitgenössische Eigenentwicklung gilt der so genannte Louis-Seize-Stuhl. Die Übergangsphase von 1755-1760 zwischen dem Louis-Quinze, dem französischen Rokoko und den klassizistischen Formen wird häufig als Transition („Übergang“) und der Louis-Seize als „vorrevolutionärer Klassizismus“ bezeichnet. Er wurde 1795 vom Directoire (1795-1799) abgelöst, für das noch einfachere und geradlinigere Gestaltungsformen charakteristisch sind, und in weiterer Folge schließlich vom Consulat. Den in Deutschland dem Louis-Seize entsprechenden Kunststil nennt man Zopfstil.
Empire (1795 - 1815): Klassizismus in Frankreich
Die Bezeichnung Empire („Kaiserreich“) lässt sich als klassizistische Spielart während der napoleonischen Herrschaft verstehen. Sie wird daher häufig auch Napoleon-Stil genannt. Die Kunstform breitete sich ab 1805 schnell über ganz Europa aus.
Der Empire-Stil orientiert sich an der Antike. Charakteristisch sind klare, übersichtliche Gliederungen und kantige Grundformen bei Wahrung des repräsentativen Charakters. Dies wird nicht zuletzt durch Verwendung römisch-antiker und ägyptischer Ornamente sowie aufwendiger Gold- und Bronze-Applikationen erreicht. Darüber hinaus sind begrenzende Leisten und Säulen aus Ebenholz, Mahagoni oder schwarz gebeiztem Holz beliebt. Als gänzlich neue Möbelformen etablieren sich schließlich das Zylinderbureau bzw. der Rollschreibtisch.
Nach dem Sturz Napoleons und der Wiedereinsetzung der Bourbonen 1815 wird das Empire in Frankreich vom Restaurations-Stil abgelöst. Im übrigen Europa dauert das Empire dagegen bis nach 1830. Im deutschsprachigen Raum bevorzugt man zu der Zeit vor allem griechische Vorbilder. Während „Herrschaften von Stand“ dem Empire die Treue halten, etabliert sich beim Bürgertum bereits der „gut bürgerliche Stil“, das Biedermeier.