Rokoko
Rokoko (1730 - 1780): Die Verdrängung der Schwermut
Das Wort Rokoko leitet sich von dem französischen Wort „rocaille“ ab und bezieht sich auf das charakteristische Dekorations- und Ornamentmotiv dieser Stilepoche: das Rocaille-Motiv. Dieses zeigt Elemente von Korallen, Muscheln, Rauch und Blattranken, ohne eindeutig einem dieser Motive zugeordnet werden zu können. Vielmehr wurde es als Rahmenform, als Dekorationsprinzip, als Ornament für Möbel oder einfach als Bildgegenstand verwendet.
Im Rokoko findet die Auflösung der großen, wuchtigen Geste des Barock statt. Sie mündet in einer Hinführung zur leichten, unpathetischen Bewegtheit. Das Üppige, Schwermütige und Dunkle wird verdrängt von dem Moment der Leichtigkeit, der Heiterkeit und dem erhabenen Gefühl beschwingter Grazie. Die Objekte sind zumeist asymmetrisch ornamentiert.
In stilistischer Hinsicht sind überbordende Verzierungen an Bauten, Innenräumen, Möbeln, Geräten und vor allem die Aufgabe jeglicher Symmetrie charakteristisch. Fungierte letztere noch im Barock als „ordnungstiftender“ Gestaltungsrahmen, wird sie nunmehr zugunsten zierlich gewundener Linien und rankenförmiger Umrandungen obsolet. Es ist auch eine Abkehr von linearer Strenge und eine Annäherung an das schmuckvolle, elegante „Spielerische“, die im Rokoko vonstatten geht. Diese bewusste Abkehr von der Symmetrie soll später einer ähnlichen Entwicklung im Jugendstil als Vorbild dienen.
Die gebogenen und gerundeten Möbel des Rokoko sind nicht großflächig furniert, sondern kleinteilig in hauptsächlich geometrischen Mustern aus einzelnen Furnierteilen geschmückt. Dabei werden zumeist wertvolle exotische Hölzer verwendet. Die Bequemlichkeit des Möbels rückt immer stärker in den Vordergrund. Sessel mit gepolsterter Rückenlehne und Armpolsterung entstehen genauso wie der Ohrenbackensessel, das „Chaiselongue“ – der verlängerte Stuhl – oder das Tagessofa. Tische werden mit vielen kleinen Schubladen und versenkbaren Fächern versehen und in einer bislang unbekannten Formenvielfalt hergestellt (Spieltisch, Toilettentisch, Nachttisch, Damenschreibtisch, Herrenschreibtisch, Esstisch). Die Möbelfüße zeigen häufig Schnitzereien oder Metallapplikationen in Form von Pflanzen, Tierfüßen oder Muschelmotiven. Neben farbig intarsierten und hochglanzpolierten Oberflächen sind viele Möbel auch lackiert – teils weiß, teils farbig in helleren, heiteren Tönen, mit aufgeklebten Kupferstichen, Lackmalerei, Vögeln, Blumen und Landschaften.
Der Schrank als bedeutendes Möbelstück des Barock verliert im Rokoko rapide an Bedeutung. Er ist in eher schlichter Ausführung in Bürgerhäusern und auf dem Lande zu finden. Im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens, in den Stadthäusern der adeligen Gesellschaft und den Salons für Bälle, Lesungen und Konzerte hält stattdessen die Kommode Einzug. Sie avanciert zum charakteristischen Möbelstück des Rokoko und wird zumeist geschmückt von üppigen Intarsien und aufwändigen Bronzeornamenten.
Die unterschiedlichen Stilauffassungen der einzelnen Länder sind im Rokoko insgesamt nicht mehr so ausgeprägt wie in den vergangenen Epochen. Maßgeblich bleibt dabei weiterhin die stilistische Entwicklung in Frankreich. Die Hochburgen deutscher Kunst befinden sich derweil in München, Dresden, Würzburg und Wien. Auch englische Stilauffassungen erlangen nun dank charakteristischer Möbelentwerfer wie Thomas Chippendale, George Hepplewhite und Thomas Sheraton zunehmende Bedeutung. Ihre Stilauffassung ist im Vergleich zum französischen Rokoko zurückhaltender und hat – wie Goethe es formuliert – „(…) immer die Basis des Nützlichen“.